Am Bundesgericht in Lausanne befasste ich mich in den Jahren 2013 bis 2022 im Nebenamt mit Beschwerden von Steuerpflichtigen und Steuerbehörden gegen Entscheide der obersten kantonalen Gerichte (direkte Steuern) und des Bundesverwaltungsgerichts (Mehrwertsteuer).
In dieser Zeitspanne habe ich 70 Urteilsentwürfe verfasst und an den Urteilen mitgewirkt, die nachstehend aufgelistet sind. Zu jedem Urteil finden Sie eine Zusammenfassung und einen Link zum Urteil auf der Website des Bundesgerichts.
Eine Bündnerin ist Nutzniesserin von zwei landwirtschaftlich genutzten Parzellen in der Bauzone. Sie beantragte dafür die Besteuerung zum Ertragswert. Die kantonale Steuerverwaltung besteuerte die beiden Grundstücke zum (höheren) Verkehrswert, was vom Verwaltungsgericht bestätigt wurde.
Das Bundesgericht lässt offen, ob die Besteuerung von landwirtschaftlichen Grundstücken in der Bauzone, soweit sie nicht dem bäuerlichen Bodenrecht unterstehen, von Bundesrechts wegen zum Verkehrswert zu erfolgen hat. Selbst wenn das Bundesrecht es den Kantonen erlaube sollte, den Kreis der zum Ertragswert besteuerten Grundstücke weiter als das bäuerliche Bodenrecht zu ziehen, wäre die Bündner Verkehrswert-Regelung jedenfalls nicht willkürlich.
Ein Ehepaar liess auf dem Dach seiner Scheune eine 54 m2 grosse Photovoltaik-Anlage erstellen. Die Anlage wurde nicht eingemauert oder ins Dach eingelassen, sondern bloss mittels Schrauben auf mechanische (und wieder ablösbare) Art mit dem Dach verbunden. Die Photovoltaik-Anlage erzeugte im Jahr 2010 Elektrizität von 6'859 kWh, die in das öffentliche Stromnetz gegen Entschädigung gemäss den Bestimmungen über die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) eingespiesen wurde. Die Kantonale Steuerverwaltung Bern berücksichtigte die Photovoltaik-Anlage im Rahmen der amtlichen Bewertung für Grundstücke. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern erkannte hingegen, dass die Photovoltaik-Anlage kein Bestandteil des Grundstücks sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Steuerverwaltung ab, weil es nicht willkürlich ist, der Aufdachanlage der Beschwerdegegner die Bestandteilsqualität abzusprechen. Das Steuerharmonisierungsgesetz verlangt zwar, Photovoltaik-Anlagen im Vermögen zu besteuern, macht den Kantonen aber keine Vorgaben zur Bewertung. Es ist somit eine Frage des Berner Rechts, ob Photovoltaik-Anlagen in die amtliche Bewertung von Liegenschaften einzubeziehen sind oder ob sie als selbständige Vermögenswerte zu erfassen sind.
Ein Steuerpflichtiger deklarierte in seiner Steuererklärung zwei Forderungen gegenüber einer Gesellschaft mit Sitz auf den britischen Jungferninseln im Nominalbetrag von Fr. 7'058'256.-- und Fr. 9'131'586.-- lediglich pro memoria mit einem Steuerwert von Fr. 0.--, weil er sie nicht mehr als werthaltig erachtete. Später reichte er dem Kantonalen Steueramt Zürich einen Banküberweisungsbeleg für Auszahlungen von insgesamt Fr. 94'000.-- ein. Er machte geltend, dass es sich dabei um eine steuerfreie Rückzahlung eines Darlehens handle, womit er seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Das Kantonale Steueramt Zürich folgte dieser Deklarationsweise nicht, weil die unzulängliche Mitwirkung des Steuerpflichtigen eine zuverlässige Bewertung der beiden Forderungen verunmögliche. Das Verwaltungsgericht schätzte das Wertschriftenvermögen auf Fr. 6 Mio. und besteuerte die Auszahlungen von Fr. 94'000.-- als steuerbares Einkommen.
Das Bundesgericht weist eine Beschwerde ab. Es ist widersprüchlich, wenn der Beschwerdeführer einerseits geltend macht, dass es sich bei der Auszahlung von Fr. 94'000.-- um eine Teil-Rückzahlung des Guthabens gegenüber der Gesellschaft handle, und er andererseits behauptet, die Forderungen gegenüber der Gesellschaft seien nicht mehr werthaltig. Den Nachweis, dass es sich bei der Auszahlung von Fr. 94'000.-- um eine steuerfreie Rückzahlung von Guthaben handelte, hat der Steuerpflichtige nie hinreichend angetreten. Auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Schätzung des Guthaben- und Wertschriftenvermögens mit Fr. 6 Mio. ist unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden.
Urteil vom 3. Mai 2017Ein Steuerpflichtiger lebte bis Ende Oktober 2010 zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in einem gemieteten Haus. Per 1. November 2010 bezog er eine eigene Wohnung. Anfang April 2011 zog die Ehefrau mit den Kindern ebenfalls in eine Wohnung um. Schliesslich verlegte die Ehefrau am 1. September 2011 ihren Wohnsitz mit den Kindern. Bis Anfang September 2011 führten die Ehegatten ein gemeinsames Konto. Nach dessen Auflösung überweist der Ehemann seiner Ehefrau einen monatlichen Betrag von Fr. 3'000.-- (September bis November) bzw. Fr. 2'800.-- (ab Dezember) und bezahlt die Krankenkassenprämien für die Ehefrau und die beiden Kinder von monatlich Fr. 410.--.
Das Kantonale Steueramt St. Gallen lässt den Gesamtbetrag von Fr. 13'440.-- als Unterhaltsbeitrag zum Abzug zu. Auf Rekurs hin werden dem Ehemann auch für die Monate Januar bis August 2011 Unterhaltsbeiträge von Fr. 25'680.-- zum Abzug zugelassen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Kantonalen Steueramtes ab, weil die Eheleute für das ganze Steuerjahr 2011 separat zu veranlagen sind und die Verwaltungsrekurskommission trotz eines gemeinsamen Kontos zu Recht abzugsfähige Unterhaltsbeiträge bejahte, die der Ehemann vom gemeinsamen, aber praktisch ausschliesslich durch seine Erwerbseinkünfte gespeisten Konto klar abgrenzbare Unterhaltsleistungen für die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder erbrachte.
Ein Ehepaar ist im Kanton Zürich wohnhaft (Hauptsteuerdomizil). Die Ehefrau verkauft eine Liegenschaft im Kanton St. Gallen, an der sie Alleineigentümerin ist. Kurz darauf stirbt der Ehemann. Das Kantonale Steueramt St. Gallen besteuert die Ehefrau gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen für das Einkommen aus der Liegenschaft. Ein Rekurs der Erben wird gutgeheissen, weil der Verstorbene kein Eigentum an der Liegenschaft hatte und daher mangels wirtschaftlicher Zugehörigkeit im Nebensteuerdomizil nicht steuerpflichtig gewesen sei.
Nach einer erfolglosen Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht gelangt das Kantonale Steueramt St. Gallen ans Bundesgericht. Dieses heisst die Beschwerde gut, weil sich die gemeinsame Steuerpflicht von Eheleuten an einem Hauptsteuerdomizil in der Schweiz auch auf Nebensteuerdomizile in andern Kantonen erstreckt.